Absurd

Welche Farben würde ich riechen,
wenn ich durch meine Ohren schmeckte?

Würden die Vögel im Winter gen Norden ziehen
und grüner Schneefall im Sommer unsre Häuser zieren?
Und würden Hasen rückwärts laufen und

Enten mit dem Kopf nach unten schwimmen – ganz im Ernst
das sähe doch komisch aus!
Platzt völlig aus unsrer Gewohnheit heraus …

Die Bäume hätten pinke Blätter und
Äpfel würden an den Blumen wachsen, in lila,
und silberne Verzierungen tragen.
Und alles schmeckte nach goldenem Weihrausch.

Pferde würden auf dem Rücken schlafen
und Mammuts von den Bäumen hängen.
Wir würden unseren lila Kühen lauschen,
wie sie von fernen Leben sängen.

Welche Farben würde ich riechen,
wenn ich durch meine Ohren schmeckte?

Tosend würde Wasser aus dem Boden schießen,
jeden Tag in einem anderen Land
und alle würden pilgern,
nach fernen Sternen strebend.

Und du und ich,
wir wären hier – oder auch nicht – unsichtbar und elfengleich,
manchmal als seltsames Getier.
Ein Stier,
mit rosa Hörnern und Schmetterling im Haar.
Ein wilder Esel mit Pfauenohren – wunderbar.

Ich schmecke lila, gelb und grün,
aubergine, beige, schwarz,
ich schmelze schon dahin.
Doch am Ende da ist alles rot – sagst du.

Ich glaub dir nicht,
ich seh das nicht.
Ich fürchte mich,
weil ich es nicht
beschreiben kann.

Berauschend laut und bunt die Welt. Absurd.
Findest du nicht?
Ein malerisches Bild, das meine Ohren schmecken,
ein abgedrehter Film den meine Augen riechen.

Es bringt mich um,
es macht mich still.
Ich kann es kaum ertragen. Ich wehre mich.
Doch plötzlich weiß ich – all das bin ich.

Durch meine Augen rieche ich die Welt.
Durch meine Ohren schmecke ich den Schmerz,
den ich ertrage, den ich erlebe und ich erfahre
mich – durch dich.
Ich danke dir – und bin in mir zu Haus.

Und manchmal bin ich Nase, Ohren, Mund zugleich.
Geruch, Geschmack und Schmerz.
Ich bin der Schnee, im Sommer, lila, gelb und grün.
Und rot riechst du.
Wie wunderschön.

 

Diesen Text findest du auch in meinem Buch „Gedichtetanz“